Ein Ball wie jeder andere?!
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Ein Ball wie jeder andere?!
Es mag Leute geben, die diese GEschichte schon kennen, ich hab sie geschrieben, auch im PM, übrigens. Also zunächst: Keiner darf die Story auf irgendeine Seiite ohne meine Erlaubbnis kopieren!!!
Als ich aufwachte, an jenem Morgen, an diesem bewölkten, regnerischen Morgen, wusste ich bereits, dass mir dieser Tag kein Glück bringen würde. Ich blickte an die Decke meines Zimmers, das über und über mit Postern von Pokémon beklebt war und schreckte zusammen, als ein Blitz über den Himmel zuckte, gefolgt von einem Donner, der mir fast die Trommelfelle platzen ließ. Das Gewitter musste direkt über mir sein.
Unwillig stand ich auf und kickte dabei beinahe den Pokéball von meinem Etagenbett. Gerade noch rechtzeitig konnte ich ihn noch auffangen. Er war hellgrün und eine Sonderanfertigung von meinem Vater. Mein Vater war der beste Pokéballfabrikant, den es unter dem Himmel in Sinnoh gab. Dieser Ball, den er „Sonderball“ getauft hatte (In allem, was nichts mit seinem Beruf zu tun hatte, war er verdammt unkreativ), hatte er mir, seinem Sohn zu meinem vierzehnten Geburtstag geschenkt. Nein, bevor ihr mich fragt, sollte ich vielleicht von Anfang an erwähnen, dass ich noch kein Pokémon hatte. Jetzt, wo ich Pokémon Champ bin, kommt mir das wirklich seltsam vor. Aber das ist eine andere Sache… wo war ich doch gleich stehen geblieben… ach ja: Der Ball. Der Ball war nicht besser als ein normaler Pokéball, er garantierte nicht für den Fang, wie der legendäre Meisterball oder machte den Insassen schneller freundlich, wie der Luxusball- so gesehen war er eigentlich nichts besonderes. Mein Vater hatte mir nie genau verraten, was es mit ihm auf sich hatte, ich wusste nur, dass ich das einzige Exemplar besaß und das war bisher noch nicht zum Einsatz gekommen. Mein Vater hatte die Produktion dieses Balls sofort wieder abgebrochen, ich verstand damals auch noch nicht wieso, doch das sollte sich alles ändern.
Der Ball hing an einer feinmaschigen Kette, die ich mir nun auch über meine vom schlafen verstrubbelten Haare zog. Ich glitt von meinem Hochbett und landete weich auf dem Teppich, der den ganzen Boden meines Zimmers bedeckte. Ich öffnete die Tür und taumelte schlaftrunken in die Küche, wo meine Mutter und meine ältere Schwester beim Frühstück saßen. Sie hatten die Gardinen zugezogen, schlossen den Sturm aus, der um unser Haus tobte.
Meine Schwester stand auf und schlenderte zum Herd, auf dem ein Topf Milchreis vor sich hin blubberte. Meine Schwester, Sandra, liebte Milchreis über alles und so verhielt es sich auch mit ihrem Phanpy. Es lief hinter ihr her und versuchte, ihr den Löffel mit dem Reis zu klauen, den sie zum Umrühren benutzt hatte. Meine Schwester liebte Bodenpokémon über alles und würde zu gern eine Bodenarena gründen, wenn Teresa es ihr nicht strengstens verboten hätte. Außerdem war sie bei weitem nicht stark genug.
Meine Mutter war einmal eine starke Trainerin gewesen, berüchtigt wegen der Kraft ihrer Drachenpokémon, doch seit ihr liebstes Pokémon verstorben war (es war etwa doppelt so alt wie sie gewesen, als sie es bekommen hatte), hatte sie das Kämpfen aufgegeben.
Wir saßen also alle gemütlich in unserem Haus, meine Schwester löffelte ihren Milchreis, meine Mutter schlürfte ihren Kaffee und ich wollte mir gerade mein zweites Nutellabrötchen schmieren, als wir es alle drei zur gleichen Zeit hörten. Es schien, als würde unser Dach zusammenbrechen.
„Raus hier!“, hörte ich meine Mutter rufen, als ich schon längst aufgesprungen war und zum Ausgang hetzte. Ich schnappte mir im Vorbeilaufen meine Regenjacke von der Garderobe und sprang aus der Tür mitten hinein in eine Schlammpfütze. Zu meinem Entsetzen krachte eine Sekunde später die Tür hinter mir zusammen, die Balken blockierten den Ausweg.
„Sandra! Mama!“, rief ich durch das Brausen des Sturms, der mich umgab wie ein Meer. In diesem Moment wünschte ich mir nichts lieber als ein Pokémon, irgendein verfluchtes Pokémon, mit dem ich diesen Ausweg frei machen könnte. Und ich sah mich um, in Geschichten passieren immer die seltsamsten Dinge, als hoffte ich, ein wildes Granbull könnte hinter einem der Steine hervorspringen um mir zu helfen, aber nichts geschah. Verzweifelt warf ich mich gegen die Balken und versuchte sie durch bloße Anstrengung fortzuschieben, doch sie rührten sich nicht.
„Okay, Phanpy, zeig was du gelernt hast!“, rief da die Stimme meiner Schwester, dumpf schallte sie durch das Holz. Gerade rechtzeitig konnte ich noch zurückspringen und landete schon wieder im Matsch, als Sandra brüllte: „Los, Phanpy, Walzer!“ Dies erstaunte mich doch sehr, denn soweit ich wusste, erlernte ein Phanpy die Attacke Walzer erst auf Level 15. Meine Schwester musste also trainiert haben, wie eine Verrückte. Die Balken flogen nur so auseinander, als Sandras Pokémon dagegen raste. Sie stand im Flur zusammen mit meiner Mutter. Sandra lächelte. Wie ich ihr Lächeln vermisse.
Im nächsten Moment schien der Himmel über uns zu explodieren. Und etwas Riesiges, etwas blendend Weißes, etwas LEBENDIGES tauchte aus den Wolken auf uns herab. Ich weiß nicht, was genau im Weiteren passiert ist, nur, dass mich eine gewaltige Schockwelle erfasste und mich mehrere Meter durch die Luft schleuderte. Das Haus muss unter dem Druck zusammen gebrochen sein. Als ich wieder einigermaßen bei Bewusstsein war, rannte ich sofort zu den Trümmern, aber das einzige, was ich noch fand, war der leere Pokéball, in dem einst das Phanpy von Sandra gewesen war. Er war in der Mitte von einem Holzbalken zerschlagen worden.
Immer noch starr von dem Schock sah ich auf. Und da sah ich es: Das seltsame Etwas, das dies alles verursacht hatte stand auf der Trümmerwiese, die ich einst unseren Garten nannte und blickte mich aus unergründlichen Augen an. Es schien ein Pokémon zu sein, um die drei Meter groß, von schlanker Statur, mit strahlend weißem Fell, aber ich hatte es noch nie zuvor gesehen. Und das, obwohl ich sicherlich alle Aufzeichnungen, die es in der Bibliothek von Fleetburg gab, gelesen hatte.
„Was hast du getan?“, fragte ich es, leise stammelnd, da ich immer noch nicht begriff, was passiert war, „Was hast du nur getan?“. Ich wollte es schlagen, es dafür bestrafen, dass es meine Familie unter den Trümmern meines nun ehemaligen Zuhauses begraben hatte und dafür, dass es jetzt seelenruhig dastand, auf dem Grab meiner Mutter und meiner Schwester. „Wer zum Teufel bist du?!“, schrie ich es an, doch es schwieg.
„Du Monster! Du hast sie umgebracht!“, brüllte ich und lief auf es zu, doch etwas hielt mich auf, wie eine Nebelwand, die sich plötzlich zwischen uns legte.
Das weiße Pokémon blickte mich weiter unverwandt an mit diesen großen, allwissenden Augen. Doch auf einmal veränderte sich etwas in ihnen und es schien zu verstehen. Ich war mir in diesem Moment sogar sicher, dass niemand auf der ganzen Welt mich besser verstehen könnte, als dieses Pokémon, niemand, nicht einmal meine Mutter. Es senkte ganz leicht den Kopf und schien einzuatmen. Aber nicht nur dieses Pokémon sog seinen Atem ein, sondern auch die ganze Welt mit ihm. Und dann schien alles stillzustehen. Ein Funkeln löste sich von dem Haupt des Pokémons und wirbelte um es herum, begann unter einem pulsierenden Leuchten herabzuschweben bis es sich auf dem Boden sammelte und sich zu einer kleinen, runden Gestalt manifestierte. Ich wagte währenddessen nicht zu blinzeln, da ich fürchtete, ich könnte es zerstören, das, was immer es da schuf.
Auf einmal schien eine erneute Druckwelle von dem Pokémon auszugehen und ich verlor den Halt, fiel auf die Knie vor diesem Pokémon, das sich auf die Hinterbeine aufrichtete und sich, wie es mir schien, langsam aufzulösen begann. „Halt!“, wollte ich rufen, „Halt, was ist mit meiner Familie, was soll ich jetzt tun?“, aber meine Stimme versagte und ich fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit.
Als ich aufwachte war ich mir zunächst sicher, dass das alles nur ein Traum gewesen war und dass ich beim Aufstehen ganz bestimmt aus meinem Bett fallen würde, so steif fühlte sich mein Nacken an. Doch das, was ich zuerst sah, war ein Balken aus Holz, der gerade wie eine Kerze aus der Wiese unseres Gartens stand. Erschrocken sprang ich auf, wobei ich mir den Kopf an einem weiteren Balken stieß. Und dann erinnerte ich mich wieder. An den Sturm, das Lächeln meiner Schwester und an das Pokémon… und an….
Suchend blickte ich mich um. Wo war dieses Ding, das aus dem Leuchten geboren worden war? Und da sah ich es, es schimmerte immer noch, als ob etwas von den Funken darauf kleben geblieben wäre. Es war ein Ei- ein glitzerndes, kleines, rundes, hellblaues Ei, das im plattgedrückten Gras lag. Vorsichtig näherte ich mich ihm und stupste es ganz leicht mit dem Finger an. Es rührte sich nicht. Behutsam hob ich es auf und legte mein Ohr an die glänzende Oberfläche, die mich an Perlmutt erinnerte. Ich konnte nichts hören. Zum Glück war das Ei so klein, dass ich es in meine Jackentasche stecken konnte.
Ich drehte mich noch einmal um und ließ meinen Blick über die Trümmer schweifen. Hier konnte ich nicht bleiben. Und ich machte mich auf, nach Erzelingen zu gehen, der Stadt, in deren Nähe mein Großvater einst das Haus aus dem Schutt aufgebaut hatte, zu dem es nun wieder geworden war. Mein Sonderball schimmerte im Licht des neuen Morgens, als wäre nichts geschehen.
Ich habe die Stadt am nächsten Tag erreicht, so um die Mittagszeit, nachdem ich eine kurze Nacht in einer Höhle verbracht hatte und dabei einen Schwarm Zubat aufgeschreckt habe. Später dachte ich mir, ich hätte versuchen sollen, eines mit meinem Sonderball zu fangen, doch damals kam es für mich gar nicht in Frage. Es sollte sich auch so als vorteilhaft erweisen.
In Erzlingen ging ich zunächst einmal in das Pokémoncenter, das schon von weitem an dem roten Dach zu erkennen war und fragte die Schwester, was es mit dem Ei auf sich hätte, doch das einzige, was sie mir sagen konnte, war, dass ich es warm halten solle, dann würde vielleicht ein Pokémon daraus schlüpfen. Allerdings hatte sie keinen blassen Schimmer, was für eine Art Pokémon es sein würde. Ich beschloss, zunächst einmal Bekannte aufzusuchen, um ihnen von dem tragischen Unfall zu berichten, der sich bei dem Sturm ereignet hatte. Sie wohnten in Jubelstadt, einem Ort, der mir persönlich schon immer zu groß und zu laut gewesen ist. Das einzige Problem war, dass ich nun einmal keine Pokémon und kaum Geld besaß. Der lange Weg bis nach Jubelstadt war eigentlich viel zu gefährlich für mich. Aber ich hatte nicht einmal die Wahl.
Denn vor dem Tunnel, der von Erzelingen wegführte, standen zwei Männer, die mich aufhielten und mir erklärten, sie würden mich nur durchlassen, wenn ich sie besiegte. Als ich ihnen verständlich machen wollte, dass ich kein einziges Pokémon hatte, machten sie sich nur über mich lustig und zogen mich deswegen auf. In diesem Moment betete ich, das Wesen in dem Ei möge doch endlich schlüpfen, damit ich es diesen Großmäulern zeigen könnte. Ich legte meine Hand auf die kleine Rundung in meiner Jackentasche und spürte zu meiner Verwunderung, wie es sich bewegte. Es schien sich leicht unter meiner Hand wegzubewegen.
„Ich komme noch wieder!“, meinte ich scheinbar gelassen zu den Kerlen und drehte mich wieder um. Das Ei in meiner Tasche schien sich ebenfalls wenden, sodass ich fürchtete, es könne mir entgleiten und auf dem Boden zerschellen, sodass das kleine Wesen, das darin schlummerte, nie das Licht der Welt erblicken würde. Aber nichts geschah. Ich übernachtete an diesem Abend in dem Pokémoncenter, das mir freundlicherweise erlaubte, mich unter einer Decke auf eine der Wartebänke zu legen. Das Ei behielt ich bei mir, ich traute mich nicht, es allein zu lassen.
Mitten in der Nacht wurde ich von einem fiependen Geräusch geweckt. Verschlafen rieb ich mir die Augen und blickte überrascht auf das Ei, das ich dicht neben meinen Kopf gelegt hatte. Es wackelte und begann zu leuchten. Mit einem Schlag war ich hellwach und strampelte mich aus meiner Decke frei. Ich beobachtete es, wie es sich auf die Seite drehte und immer heller zu leuchten begann. Das Fiepen wurde lauter. Plötzlich zersprang die Eischale und ein kleines, hellblaues Knäuel purzelte heraus. Es hatte einen langen, dünnen Schwanz, dessen Ende sich etwas verdickte. Aus noch etwas verklebten Augen blinzelte es mich an und ich wollte es vom ersten Moment einfach nur in meine Arme schließen, so niedlich sah es aus.
Das Pokémonbaby rappelte sich nach einigen Minuten, in denen ich es nur fasziniert betrachtet hatte, auf und schüttelte sich. Da traf es mich wie ein Schlag. Das Pokémon, das gerade seine winzigen Glieder erprobte, war ein von Kopf bis zur Schwanzspitze blaues Mew. Es sah mich freundlich an und legte den Kopf schief. „Mew. Mew…“, ertönte aus seiner Kehle und es begann langsam in der Luft zu schweben. Es machte einen Salto, aber überschätzte sich dabei und ich musste es auffangen, damit es nicht abstürzte.
Plötzlich hatte ich eine Idee: Ob ich wohl je wieder in meinem Leben ein Pokémon finden würde, dass ähnlich würdig war, von dem einzigen Exemplar des Sonderballs gefangen zu werden. Langsam tastete sich meine Hand Zentimeter um Zentimeter näher an den grünen Ball heran, bis ich ihn schließlich in den Fingern hielt. Das Mew betrachtete mich ruhig. Ich nahm den Ball fest in die eine Hand und warf ihn sachte auf das Mew. Es betrachtete mich weiter seelenruhig und machte keine Anstalten, sich gegen den Ball zu wehren, der es umschloss.
Als der Schließmechanismus einrastete, atmete ich auf und nahm den Ball vorsichtig in die Hand. An seiner Oberseite begann sich ein blaues Dreieck zu bilden, das im fahlen Mondlicht zu schimmern schien. Gespannt öffnete ich den Verschluss wieder. Das Mew schien nicht verärgert darüber, dass ich es gefangen hatte, es machte einen erneuten Salto und diesmal gelang er.
„Ein Mew…“, flüsterte ich selbstvergessen, „Es hat mir ein Mew geschenkt…“ Aber warum hatte dieses seltsame Pokémon mir ein solch seltenes Wesen anvertraut? Hatte es ein schlechtes Gewissen wegen meiner Familie gehabt? Konnte dieses Wesen überhaupt Mitleid mit einem einfachen Menschen wie mir haben? Oder hatte es einen anderen Grund, der mir noch verborgen war?
Erstaunt betrachtete ich den Sonderball, während das Mew neugierig begann, das Pokémoncenter zu erkunden- es schwebte hinüber zu der Sitzecke und beäugte die Magazine und Zeitschriften, die überall herumlagen. Als es ein gezeichnetes Bild von einem rosafarbenen Mew sah, dass auf einer Luftblase saß, glaubte ich beinahe, es kichern zu hören. Es hob die Zeitung auf und schwebte zu mir zurück. „Mew… Mewmew!“, machte es und deutete auf die Zeichnung. Ich verstand nicht recht, was es von mir wollte und streichelte ihm über das Fell. Es gähnte, wobei ihm ein kleiner, sachter Seufzer entwich und kuschelte sich an mich. „Du bist sicherlich auch müde, oder, kleines Mew?“, fragte ich, doch als Antwort erhielt ich nur ein feines Schnarchen.
Am nächsten Morgen setzten wir beide, mein Mew und ich, uns auf eine Bank neben das Bergbaumuseum und ich begann, dem Pokémon von meinen Eltern zu erzählen und von dem Ball, der an der Kette um meinen Hals baumelte. Es hörte die ganze Zeit aufmerksam zu. Als ich zu den beiden Trainern kam, die mir den Ausweg versperrten, fuhr es wütend in die Luft und krakeelte: „Mew, Mew!“
Ich hätte zu gern gegen diese zwei gekämpft, doch Mew war doch gerade erst geschlüpft, ich konnte doch nicht mit einem Baby-Mew auf Level 1 irgendjemanden besiegen! „Was meinst du?“, fragte ich Mew, „Meinst du, wir können diesen Typen zeigen, dass sie den Mund nicht so voll nehmen sollten? Obwohl… vielleicht sollten wir vorher noch trainieren, was?“ Mew schaute mich an und schien zu nicken. Damals hielt ich es noch für einen Zufall, dass es mich so gut verstand. Wie naiv ich doch war.
Ich erkundigte mich bei einigen Anwohnern, wo man gut trainieren könnte, vor allem sehr schwache Pokémon und sie verwiesen mich auf ein Feld aus hohem Gras, das etwas nördlich von Erzelingen liegt. Ich machte mich also mit Mew an der Seite auf. Kaum hatte ich den Fuß zwischen die ersten Grasbüschel gesetzt, da raschelte es auch schon neben mir und ein kleines, menschenähnliches Pokémon sprang auf mich zu. Das Machollo warf beide Fäuste in die Luft. „Los, Mew!“, rief ich, doch im nächsten Moment bereute ich es auch schon: Ich wusste doch gar nicht, was für Attacken es beherrschte. „Vielleicht“, schoss es mir durch den Kopf, „Vielleicht kann es ja überhaupt keine!“
Mew allerdings war schon vor mich geschwebt und es schien mir, als wollte es mich beruhigen. Ohne, dass ich etwas gesagt hätte, flog es auf Machollo zu. Im Flug noch verwandelte es sich auf einmal in ein Machollo und landete vor dem echten Kampfpokémon, das sichtlich verwirrt war. Mein Mew setzte darauf Tackle ein, wie es mir schien und landete einen Volltreffer bei dem erstaunten Machollo, sodass es auf einen Schlag K.O. ging.
„Das hast du toll gemacht, Mew!“, rief ich und umarmte es, bis es vorwurfsvoll quiekte und sich aus meinen Armen befreite um endlich wieder unbeschwert atmen zu können. „War das gerade Wandler, was du da eingesetzt hast, Mew?“, fragte ich es erstaunt und es kicherte nur zur Antwort, woraus ich schloss, dass ich Recht hatte. „Vielleicht“, dachte ich laut und sah mein Mew nachdenklich an, „Vielleicht könnten wir sogar den Arenaleiter Veit irgendwann herausfordern, was meinst du?“ Mew legte seinen kleinen Kopf schief und mewte. Ich schaute auf das hohe Gras, ohne es wirklich zu sehen- in Wahrheit dachte ich wirklich darüber nach, ob das nicht eine interessante Herausforderung wäre. Mew war, wie ich wusste ein Psychopokémon, aber bisher konnte es leider nur Wandler und Pfund einsetzen- gegen Gesteinspokémon wie die von Veit, würde ich also so keine Chance haben. Was ich bräuchte, wäre eine effektive Attacke gegen solche Pokémon. Nur schade, dass ich keine solche hatte.
„Mew, was kannst du eigentlich für Attacken lernen?“, fragte ich es scherzhaft, ohne die Hoffnung, es könne antworten. Doch es sauste davon, bevor ich es aufhalten konnte. Doch es ließ mir keine Zeit, mir Sorgen zu machen, in ein paar Minuten, war es schon zurück und hielt mir das Magazin unter die Nase. Auf dem Deckblatt stand: „Mew- das Legendäre Pokémon der tausend Attacken.“ Als Unterschrift wurde „Mew ist das einzige Pokémon, das jede bekannte Attacke erlernen kann“ angegeben. Ich staunte nicht schlecht, als ich das las. „Du kannst wirklich jede einzelne Attacke lernen. Mew kicherte nur.
„Ist das etwa ein Mew?“, hörte ich plötzlich eine Stimme von hinter mir. Ich drehte mich erschrocken um und sah eine junge, blondhaarige Frau auf mich zu kommen. Sie hatte einen schwarzen Mantel an und trug ihre Kopfhörer (ebenfalls in schwarz) um den Hals. „Guten Tag! Mein Name ist Cynthia. Ist das da denn wirklich ein Mew?“ Ich schaute sie an und war mir sicher, dass sie meinen Gesichtsausdruck als misstrauisch interpretierte. „Ja.“, antwortete ich ihr und presste Mew unwillkürlich so fest an mich, dass es sich protestierend losmachte. „Ich glaube, ich frage besser nicht, woher du das hast, aber es scheint noch sehr klein zu sein. Willst du eigentlich die Arenen herausfordern und Pokémon- Champ werden?“ Ich zögerte mit meiner Antwort.
„Ich glaube, dass ich das möchte. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann… Ich will doch nicht, dass Mew verletzt wird!“ Cynthia lächelte und steckte die Hand in ihre Manteltasche. Als sie sie wieder herauszog hielt sie etwas Schimmerndes in der Hand, das sie mir sofort in die Hand drückte, aufstand und sich mit den Worten „Das hier wird dir sicher helfen!“
Ich wollte ihr erst etwas hinterher rufen, doch dann siegte meine Neugier und ich betrachtete die dünne Scheibe, die einer CD ähnelte. Sofort erkannte ich, dass es sich um eine TM, eine Technische Maschine handeln musste, mit der man Pokémon Attacken beibringen konnte. „Wie steht‘s, Mew? Möchtest du diese Attacke lernen? Aber eines musst du wissen, Mew: Ich habe keine Ahnung, was für eine Attacke das ist! Es könnte also sogar Explosion sein… Und ich will eigentlich nicht, dass du sowas lernst…“
Doch Mew strahlte über das ganze niedliche Gesicht und schlug vor Freude einen Salto in der Luft. Nachdem es die Attacke erlernt hatte, von der ich ja immer noch nicht wusste, was sie war, kehrten wir zu dem Grasfeld zurück, in der Hoffnung, auf ein Pokémon zu stoßen, an dem wir Mews neue Fähigkeit ausprobieren könnten. Und tatsächlich stolperte ich nach kurzer Zeit über ein Kleinstein, im wahrsten Sinne des Wortes natürlich.
Doch bevor es mich angreifen konnte, schwebte Mew dazwischen und schoss etwas auf das verblüffte Kleinstein ab, etwas Grünes. Es streifte das Steinpokémon jedoch nur, trotzdem war Kleinstein nach diesem Treffer schon besiegt. „Es war eine Pflanzenattacke, so viel ist sicher….“, dachte ich laut und erschrak heftig, als sich mir eine Hand auf die Schulter legte. Als ich mich umdrehte, stand Cynthia wieder hinter mir und lächelte mich an. „Das war Energieball, eine besonders starke Pflanzenattacke. Ich hoffe sie hilft dir, solltest du versuchen, Veit herauszufordern.“ Mit diesen Worten verabschiedete sie sich auch schon wieder, entließ ein großes, weißes Pokémon aus ihrem Pokéball und flog auf seinem Rücken davon.
„Energieball, was?“, fragte ich Mew, „Das ist doch wohl ein Lichtblick!“ Wir verbrachten noch zwei Tage in dem hohen Gras, um Mew auf Vordermann zu bringen, doch dann zogen wir aus, um Veit zu besiegen. Die Trainer, die mich nicht aus der Stadt gelassen hatten, hatte ich schon längst vergessen.
Als ich aufwachte, an jenem Morgen, an diesem bewölkten, regnerischen Morgen, wusste ich bereits, dass mir dieser Tag kein Glück bringen würde. Ich blickte an die Decke meines Zimmers, das über und über mit Postern von Pokémon beklebt war und schreckte zusammen, als ein Blitz über den Himmel zuckte, gefolgt von einem Donner, der mir fast die Trommelfelle platzen ließ. Das Gewitter musste direkt über mir sein.
Unwillig stand ich auf und kickte dabei beinahe den Pokéball von meinem Etagenbett. Gerade noch rechtzeitig konnte ich ihn noch auffangen. Er war hellgrün und eine Sonderanfertigung von meinem Vater. Mein Vater war der beste Pokéballfabrikant, den es unter dem Himmel in Sinnoh gab. Dieser Ball, den er „Sonderball“ getauft hatte (In allem, was nichts mit seinem Beruf zu tun hatte, war er verdammt unkreativ), hatte er mir, seinem Sohn zu meinem vierzehnten Geburtstag geschenkt. Nein, bevor ihr mich fragt, sollte ich vielleicht von Anfang an erwähnen, dass ich noch kein Pokémon hatte. Jetzt, wo ich Pokémon Champ bin, kommt mir das wirklich seltsam vor. Aber das ist eine andere Sache… wo war ich doch gleich stehen geblieben… ach ja: Der Ball. Der Ball war nicht besser als ein normaler Pokéball, er garantierte nicht für den Fang, wie der legendäre Meisterball oder machte den Insassen schneller freundlich, wie der Luxusball- so gesehen war er eigentlich nichts besonderes. Mein Vater hatte mir nie genau verraten, was es mit ihm auf sich hatte, ich wusste nur, dass ich das einzige Exemplar besaß und das war bisher noch nicht zum Einsatz gekommen. Mein Vater hatte die Produktion dieses Balls sofort wieder abgebrochen, ich verstand damals auch noch nicht wieso, doch das sollte sich alles ändern.
Der Ball hing an einer feinmaschigen Kette, die ich mir nun auch über meine vom schlafen verstrubbelten Haare zog. Ich glitt von meinem Hochbett und landete weich auf dem Teppich, der den ganzen Boden meines Zimmers bedeckte. Ich öffnete die Tür und taumelte schlaftrunken in die Küche, wo meine Mutter und meine ältere Schwester beim Frühstück saßen. Sie hatten die Gardinen zugezogen, schlossen den Sturm aus, der um unser Haus tobte.
Meine Schwester stand auf und schlenderte zum Herd, auf dem ein Topf Milchreis vor sich hin blubberte. Meine Schwester, Sandra, liebte Milchreis über alles und so verhielt es sich auch mit ihrem Phanpy. Es lief hinter ihr her und versuchte, ihr den Löffel mit dem Reis zu klauen, den sie zum Umrühren benutzt hatte. Meine Schwester liebte Bodenpokémon über alles und würde zu gern eine Bodenarena gründen, wenn Teresa es ihr nicht strengstens verboten hätte. Außerdem war sie bei weitem nicht stark genug.
Meine Mutter war einmal eine starke Trainerin gewesen, berüchtigt wegen der Kraft ihrer Drachenpokémon, doch seit ihr liebstes Pokémon verstorben war (es war etwa doppelt so alt wie sie gewesen, als sie es bekommen hatte), hatte sie das Kämpfen aufgegeben.
Wir saßen also alle gemütlich in unserem Haus, meine Schwester löffelte ihren Milchreis, meine Mutter schlürfte ihren Kaffee und ich wollte mir gerade mein zweites Nutellabrötchen schmieren, als wir es alle drei zur gleichen Zeit hörten. Es schien, als würde unser Dach zusammenbrechen.
„Raus hier!“, hörte ich meine Mutter rufen, als ich schon längst aufgesprungen war und zum Ausgang hetzte. Ich schnappte mir im Vorbeilaufen meine Regenjacke von der Garderobe und sprang aus der Tür mitten hinein in eine Schlammpfütze. Zu meinem Entsetzen krachte eine Sekunde später die Tür hinter mir zusammen, die Balken blockierten den Ausweg.
„Sandra! Mama!“, rief ich durch das Brausen des Sturms, der mich umgab wie ein Meer. In diesem Moment wünschte ich mir nichts lieber als ein Pokémon, irgendein verfluchtes Pokémon, mit dem ich diesen Ausweg frei machen könnte. Und ich sah mich um, in Geschichten passieren immer die seltsamsten Dinge, als hoffte ich, ein wildes Granbull könnte hinter einem der Steine hervorspringen um mir zu helfen, aber nichts geschah. Verzweifelt warf ich mich gegen die Balken und versuchte sie durch bloße Anstrengung fortzuschieben, doch sie rührten sich nicht.
„Okay, Phanpy, zeig was du gelernt hast!“, rief da die Stimme meiner Schwester, dumpf schallte sie durch das Holz. Gerade rechtzeitig konnte ich noch zurückspringen und landete schon wieder im Matsch, als Sandra brüllte: „Los, Phanpy, Walzer!“ Dies erstaunte mich doch sehr, denn soweit ich wusste, erlernte ein Phanpy die Attacke Walzer erst auf Level 15. Meine Schwester musste also trainiert haben, wie eine Verrückte. Die Balken flogen nur so auseinander, als Sandras Pokémon dagegen raste. Sie stand im Flur zusammen mit meiner Mutter. Sandra lächelte. Wie ich ihr Lächeln vermisse.
Im nächsten Moment schien der Himmel über uns zu explodieren. Und etwas Riesiges, etwas blendend Weißes, etwas LEBENDIGES tauchte aus den Wolken auf uns herab. Ich weiß nicht, was genau im Weiteren passiert ist, nur, dass mich eine gewaltige Schockwelle erfasste und mich mehrere Meter durch die Luft schleuderte. Das Haus muss unter dem Druck zusammen gebrochen sein. Als ich wieder einigermaßen bei Bewusstsein war, rannte ich sofort zu den Trümmern, aber das einzige, was ich noch fand, war der leere Pokéball, in dem einst das Phanpy von Sandra gewesen war. Er war in der Mitte von einem Holzbalken zerschlagen worden.
Immer noch starr von dem Schock sah ich auf. Und da sah ich es: Das seltsame Etwas, das dies alles verursacht hatte stand auf der Trümmerwiese, die ich einst unseren Garten nannte und blickte mich aus unergründlichen Augen an. Es schien ein Pokémon zu sein, um die drei Meter groß, von schlanker Statur, mit strahlend weißem Fell, aber ich hatte es noch nie zuvor gesehen. Und das, obwohl ich sicherlich alle Aufzeichnungen, die es in der Bibliothek von Fleetburg gab, gelesen hatte.
„Was hast du getan?“, fragte ich es, leise stammelnd, da ich immer noch nicht begriff, was passiert war, „Was hast du nur getan?“. Ich wollte es schlagen, es dafür bestrafen, dass es meine Familie unter den Trümmern meines nun ehemaligen Zuhauses begraben hatte und dafür, dass es jetzt seelenruhig dastand, auf dem Grab meiner Mutter und meiner Schwester. „Wer zum Teufel bist du?!“, schrie ich es an, doch es schwieg.
„Du Monster! Du hast sie umgebracht!“, brüllte ich und lief auf es zu, doch etwas hielt mich auf, wie eine Nebelwand, die sich plötzlich zwischen uns legte.
Das weiße Pokémon blickte mich weiter unverwandt an mit diesen großen, allwissenden Augen. Doch auf einmal veränderte sich etwas in ihnen und es schien zu verstehen. Ich war mir in diesem Moment sogar sicher, dass niemand auf der ganzen Welt mich besser verstehen könnte, als dieses Pokémon, niemand, nicht einmal meine Mutter. Es senkte ganz leicht den Kopf und schien einzuatmen. Aber nicht nur dieses Pokémon sog seinen Atem ein, sondern auch die ganze Welt mit ihm. Und dann schien alles stillzustehen. Ein Funkeln löste sich von dem Haupt des Pokémons und wirbelte um es herum, begann unter einem pulsierenden Leuchten herabzuschweben bis es sich auf dem Boden sammelte und sich zu einer kleinen, runden Gestalt manifestierte. Ich wagte währenddessen nicht zu blinzeln, da ich fürchtete, ich könnte es zerstören, das, was immer es da schuf.
Auf einmal schien eine erneute Druckwelle von dem Pokémon auszugehen und ich verlor den Halt, fiel auf die Knie vor diesem Pokémon, das sich auf die Hinterbeine aufrichtete und sich, wie es mir schien, langsam aufzulösen begann. „Halt!“, wollte ich rufen, „Halt, was ist mit meiner Familie, was soll ich jetzt tun?“, aber meine Stimme versagte und ich fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit.
Als ich aufwachte war ich mir zunächst sicher, dass das alles nur ein Traum gewesen war und dass ich beim Aufstehen ganz bestimmt aus meinem Bett fallen würde, so steif fühlte sich mein Nacken an. Doch das, was ich zuerst sah, war ein Balken aus Holz, der gerade wie eine Kerze aus der Wiese unseres Gartens stand. Erschrocken sprang ich auf, wobei ich mir den Kopf an einem weiteren Balken stieß. Und dann erinnerte ich mich wieder. An den Sturm, das Lächeln meiner Schwester und an das Pokémon… und an….
Suchend blickte ich mich um. Wo war dieses Ding, das aus dem Leuchten geboren worden war? Und da sah ich es, es schimmerte immer noch, als ob etwas von den Funken darauf kleben geblieben wäre. Es war ein Ei- ein glitzerndes, kleines, rundes, hellblaues Ei, das im plattgedrückten Gras lag. Vorsichtig näherte ich mich ihm und stupste es ganz leicht mit dem Finger an. Es rührte sich nicht. Behutsam hob ich es auf und legte mein Ohr an die glänzende Oberfläche, die mich an Perlmutt erinnerte. Ich konnte nichts hören. Zum Glück war das Ei so klein, dass ich es in meine Jackentasche stecken konnte.
Ich drehte mich noch einmal um und ließ meinen Blick über die Trümmer schweifen. Hier konnte ich nicht bleiben. Und ich machte mich auf, nach Erzelingen zu gehen, der Stadt, in deren Nähe mein Großvater einst das Haus aus dem Schutt aufgebaut hatte, zu dem es nun wieder geworden war. Mein Sonderball schimmerte im Licht des neuen Morgens, als wäre nichts geschehen.
Ich habe die Stadt am nächsten Tag erreicht, so um die Mittagszeit, nachdem ich eine kurze Nacht in einer Höhle verbracht hatte und dabei einen Schwarm Zubat aufgeschreckt habe. Später dachte ich mir, ich hätte versuchen sollen, eines mit meinem Sonderball zu fangen, doch damals kam es für mich gar nicht in Frage. Es sollte sich auch so als vorteilhaft erweisen.
In Erzlingen ging ich zunächst einmal in das Pokémoncenter, das schon von weitem an dem roten Dach zu erkennen war und fragte die Schwester, was es mit dem Ei auf sich hätte, doch das einzige, was sie mir sagen konnte, war, dass ich es warm halten solle, dann würde vielleicht ein Pokémon daraus schlüpfen. Allerdings hatte sie keinen blassen Schimmer, was für eine Art Pokémon es sein würde. Ich beschloss, zunächst einmal Bekannte aufzusuchen, um ihnen von dem tragischen Unfall zu berichten, der sich bei dem Sturm ereignet hatte. Sie wohnten in Jubelstadt, einem Ort, der mir persönlich schon immer zu groß und zu laut gewesen ist. Das einzige Problem war, dass ich nun einmal keine Pokémon und kaum Geld besaß. Der lange Weg bis nach Jubelstadt war eigentlich viel zu gefährlich für mich. Aber ich hatte nicht einmal die Wahl.
Denn vor dem Tunnel, der von Erzelingen wegführte, standen zwei Männer, die mich aufhielten und mir erklärten, sie würden mich nur durchlassen, wenn ich sie besiegte. Als ich ihnen verständlich machen wollte, dass ich kein einziges Pokémon hatte, machten sie sich nur über mich lustig und zogen mich deswegen auf. In diesem Moment betete ich, das Wesen in dem Ei möge doch endlich schlüpfen, damit ich es diesen Großmäulern zeigen könnte. Ich legte meine Hand auf die kleine Rundung in meiner Jackentasche und spürte zu meiner Verwunderung, wie es sich bewegte. Es schien sich leicht unter meiner Hand wegzubewegen.
„Ich komme noch wieder!“, meinte ich scheinbar gelassen zu den Kerlen und drehte mich wieder um. Das Ei in meiner Tasche schien sich ebenfalls wenden, sodass ich fürchtete, es könne mir entgleiten und auf dem Boden zerschellen, sodass das kleine Wesen, das darin schlummerte, nie das Licht der Welt erblicken würde. Aber nichts geschah. Ich übernachtete an diesem Abend in dem Pokémoncenter, das mir freundlicherweise erlaubte, mich unter einer Decke auf eine der Wartebänke zu legen. Das Ei behielt ich bei mir, ich traute mich nicht, es allein zu lassen.
Mitten in der Nacht wurde ich von einem fiependen Geräusch geweckt. Verschlafen rieb ich mir die Augen und blickte überrascht auf das Ei, das ich dicht neben meinen Kopf gelegt hatte. Es wackelte und begann zu leuchten. Mit einem Schlag war ich hellwach und strampelte mich aus meiner Decke frei. Ich beobachtete es, wie es sich auf die Seite drehte und immer heller zu leuchten begann. Das Fiepen wurde lauter. Plötzlich zersprang die Eischale und ein kleines, hellblaues Knäuel purzelte heraus. Es hatte einen langen, dünnen Schwanz, dessen Ende sich etwas verdickte. Aus noch etwas verklebten Augen blinzelte es mich an und ich wollte es vom ersten Moment einfach nur in meine Arme schließen, so niedlich sah es aus.
Das Pokémonbaby rappelte sich nach einigen Minuten, in denen ich es nur fasziniert betrachtet hatte, auf und schüttelte sich. Da traf es mich wie ein Schlag. Das Pokémon, das gerade seine winzigen Glieder erprobte, war ein von Kopf bis zur Schwanzspitze blaues Mew. Es sah mich freundlich an und legte den Kopf schief. „Mew. Mew…“, ertönte aus seiner Kehle und es begann langsam in der Luft zu schweben. Es machte einen Salto, aber überschätzte sich dabei und ich musste es auffangen, damit es nicht abstürzte.
Plötzlich hatte ich eine Idee: Ob ich wohl je wieder in meinem Leben ein Pokémon finden würde, dass ähnlich würdig war, von dem einzigen Exemplar des Sonderballs gefangen zu werden. Langsam tastete sich meine Hand Zentimeter um Zentimeter näher an den grünen Ball heran, bis ich ihn schließlich in den Fingern hielt. Das Mew betrachtete mich ruhig. Ich nahm den Ball fest in die eine Hand und warf ihn sachte auf das Mew. Es betrachtete mich weiter seelenruhig und machte keine Anstalten, sich gegen den Ball zu wehren, der es umschloss.
Als der Schließmechanismus einrastete, atmete ich auf und nahm den Ball vorsichtig in die Hand. An seiner Oberseite begann sich ein blaues Dreieck zu bilden, das im fahlen Mondlicht zu schimmern schien. Gespannt öffnete ich den Verschluss wieder. Das Mew schien nicht verärgert darüber, dass ich es gefangen hatte, es machte einen erneuten Salto und diesmal gelang er.
„Ein Mew…“, flüsterte ich selbstvergessen, „Es hat mir ein Mew geschenkt…“ Aber warum hatte dieses seltsame Pokémon mir ein solch seltenes Wesen anvertraut? Hatte es ein schlechtes Gewissen wegen meiner Familie gehabt? Konnte dieses Wesen überhaupt Mitleid mit einem einfachen Menschen wie mir haben? Oder hatte es einen anderen Grund, der mir noch verborgen war?
Erstaunt betrachtete ich den Sonderball, während das Mew neugierig begann, das Pokémoncenter zu erkunden- es schwebte hinüber zu der Sitzecke und beäugte die Magazine und Zeitschriften, die überall herumlagen. Als es ein gezeichnetes Bild von einem rosafarbenen Mew sah, dass auf einer Luftblase saß, glaubte ich beinahe, es kichern zu hören. Es hob die Zeitung auf und schwebte zu mir zurück. „Mew… Mewmew!“, machte es und deutete auf die Zeichnung. Ich verstand nicht recht, was es von mir wollte und streichelte ihm über das Fell. Es gähnte, wobei ihm ein kleiner, sachter Seufzer entwich und kuschelte sich an mich. „Du bist sicherlich auch müde, oder, kleines Mew?“, fragte ich, doch als Antwort erhielt ich nur ein feines Schnarchen.
Am nächsten Morgen setzten wir beide, mein Mew und ich, uns auf eine Bank neben das Bergbaumuseum und ich begann, dem Pokémon von meinen Eltern zu erzählen und von dem Ball, der an der Kette um meinen Hals baumelte. Es hörte die ganze Zeit aufmerksam zu. Als ich zu den beiden Trainern kam, die mir den Ausweg versperrten, fuhr es wütend in die Luft und krakeelte: „Mew, Mew!“
Ich hätte zu gern gegen diese zwei gekämpft, doch Mew war doch gerade erst geschlüpft, ich konnte doch nicht mit einem Baby-Mew auf Level 1 irgendjemanden besiegen! „Was meinst du?“, fragte ich Mew, „Meinst du, wir können diesen Typen zeigen, dass sie den Mund nicht so voll nehmen sollten? Obwohl… vielleicht sollten wir vorher noch trainieren, was?“ Mew schaute mich an und schien zu nicken. Damals hielt ich es noch für einen Zufall, dass es mich so gut verstand. Wie naiv ich doch war.
Ich erkundigte mich bei einigen Anwohnern, wo man gut trainieren könnte, vor allem sehr schwache Pokémon und sie verwiesen mich auf ein Feld aus hohem Gras, das etwas nördlich von Erzelingen liegt. Ich machte mich also mit Mew an der Seite auf. Kaum hatte ich den Fuß zwischen die ersten Grasbüschel gesetzt, da raschelte es auch schon neben mir und ein kleines, menschenähnliches Pokémon sprang auf mich zu. Das Machollo warf beide Fäuste in die Luft. „Los, Mew!“, rief ich, doch im nächsten Moment bereute ich es auch schon: Ich wusste doch gar nicht, was für Attacken es beherrschte. „Vielleicht“, schoss es mir durch den Kopf, „Vielleicht kann es ja überhaupt keine!“
Mew allerdings war schon vor mich geschwebt und es schien mir, als wollte es mich beruhigen. Ohne, dass ich etwas gesagt hätte, flog es auf Machollo zu. Im Flug noch verwandelte es sich auf einmal in ein Machollo und landete vor dem echten Kampfpokémon, das sichtlich verwirrt war. Mein Mew setzte darauf Tackle ein, wie es mir schien und landete einen Volltreffer bei dem erstaunten Machollo, sodass es auf einen Schlag K.O. ging.
„Das hast du toll gemacht, Mew!“, rief ich und umarmte es, bis es vorwurfsvoll quiekte und sich aus meinen Armen befreite um endlich wieder unbeschwert atmen zu können. „War das gerade Wandler, was du da eingesetzt hast, Mew?“, fragte ich es erstaunt und es kicherte nur zur Antwort, woraus ich schloss, dass ich Recht hatte. „Vielleicht“, dachte ich laut und sah mein Mew nachdenklich an, „Vielleicht könnten wir sogar den Arenaleiter Veit irgendwann herausfordern, was meinst du?“ Mew legte seinen kleinen Kopf schief und mewte. Ich schaute auf das hohe Gras, ohne es wirklich zu sehen- in Wahrheit dachte ich wirklich darüber nach, ob das nicht eine interessante Herausforderung wäre. Mew war, wie ich wusste ein Psychopokémon, aber bisher konnte es leider nur Wandler und Pfund einsetzen- gegen Gesteinspokémon wie die von Veit, würde ich also so keine Chance haben. Was ich bräuchte, wäre eine effektive Attacke gegen solche Pokémon. Nur schade, dass ich keine solche hatte.
„Mew, was kannst du eigentlich für Attacken lernen?“, fragte ich es scherzhaft, ohne die Hoffnung, es könne antworten. Doch es sauste davon, bevor ich es aufhalten konnte. Doch es ließ mir keine Zeit, mir Sorgen zu machen, in ein paar Minuten, war es schon zurück und hielt mir das Magazin unter die Nase. Auf dem Deckblatt stand: „Mew- das Legendäre Pokémon der tausend Attacken.“ Als Unterschrift wurde „Mew ist das einzige Pokémon, das jede bekannte Attacke erlernen kann“ angegeben. Ich staunte nicht schlecht, als ich das las. „Du kannst wirklich jede einzelne Attacke lernen. Mew kicherte nur.
„Ist das etwa ein Mew?“, hörte ich plötzlich eine Stimme von hinter mir. Ich drehte mich erschrocken um und sah eine junge, blondhaarige Frau auf mich zu kommen. Sie hatte einen schwarzen Mantel an und trug ihre Kopfhörer (ebenfalls in schwarz) um den Hals. „Guten Tag! Mein Name ist Cynthia. Ist das da denn wirklich ein Mew?“ Ich schaute sie an und war mir sicher, dass sie meinen Gesichtsausdruck als misstrauisch interpretierte. „Ja.“, antwortete ich ihr und presste Mew unwillkürlich so fest an mich, dass es sich protestierend losmachte. „Ich glaube, ich frage besser nicht, woher du das hast, aber es scheint noch sehr klein zu sein. Willst du eigentlich die Arenen herausfordern und Pokémon- Champ werden?“ Ich zögerte mit meiner Antwort.
„Ich glaube, dass ich das möchte. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann… Ich will doch nicht, dass Mew verletzt wird!“ Cynthia lächelte und steckte die Hand in ihre Manteltasche. Als sie sie wieder herauszog hielt sie etwas Schimmerndes in der Hand, das sie mir sofort in die Hand drückte, aufstand und sich mit den Worten „Das hier wird dir sicher helfen!“
Ich wollte ihr erst etwas hinterher rufen, doch dann siegte meine Neugier und ich betrachtete die dünne Scheibe, die einer CD ähnelte. Sofort erkannte ich, dass es sich um eine TM, eine Technische Maschine handeln musste, mit der man Pokémon Attacken beibringen konnte. „Wie steht‘s, Mew? Möchtest du diese Attacke lernen? Aber eines musst du wissen, Mew: Ich habe keine Ahnung, was für eine Attacke das ist! Es könnte also sogar Explosion sein… Und ich will eigentlich nicht, dass du sowas lernst…“
Doch Mew strahlte über das ganze niedliche Gesicht und schlug vor Freude einen Salto in der Luft. Nachdem es die Attacke erlernt hatte, von der ich ja immer noch nicht wusste, was sie war, kehrten wir zu dem Grasfeld zurück, in der Hoffnung, auf ein Pokémon zu stoßen, an dem wir Mews neue Fähigkeit ausprobieren könnten. Und tatsächlich stolperte ich nach kurzer Zeit über ein Kleinstein, im wahrsten Sinne des Wortes natürlich.
Doch bevor es mich angreifen konnte, schwebte Mew dazwischen und schoss etwas auf das verblüffte Kleinstein ab, etwas Grünes. Es streifte das Steinpokémon jedoch nur, trotzdem war Kleinstein nach diesem Treffer schon besiegt. „Es war eine Pflanzenattacke, so viel ist sicher….“, dachte ich laut und erschrak heftig, als sich mir eine Hand auf die Schulter legte. Als ich mich umdrehte, stand Cynthia wieder hinter mir und lächelte mich an. „Das war Energieball, eine besonders starke Pflanzenattacke. Ich hoffe sie hilft dir, solltest du versuchen, Veit herauszufordern.“ Mit diesen Worten verabschiedete sie sich auch schon wieder, entließ ein großes, weißes Pokémon aus ihrem Pokéball und flog auf seinem Rücken davon.
„Energieball, was?“, fragte ich Mew, „Das ist doch wohl ein Lichtblick!“ Wir verbrachten noch zwei Tage in dem hohen Gras, um Mew auf Vordermann zu bringen, doch dann zogen wir aus, um Veit zu besiegen. Die Trainer, die mich nicht aus der Stadt gelassen hatten, hatte ich schon längst vergessen.
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